Prolog
„Vom Transitraum zum Ort“
Die nachfolgenden Raumstrategien sind durchweg darauf ausgelegt, der reinen Linearität von Erschließungsräumen insofern entgegenzuwirken, dass diese als klar verortete Stadt- und Platzräume zurückgewonnen werden. Darauf aufbauend: der mehrfach geschwungene Stadtraum der Gablenberger Hauptstraße wird als Chance begriffen und zwar dahingehend, dass er zwar als großes Ganzes verstanden, dennoch über seine Teilräume (die diesen Schwingungen folgen) neu definiert wird. Die begleitenden, einseitigen Baumsetzungen wechseln die Seiten, definieren damit grundlegend die drei Teilräume im großen Ganzen. Diese Teilräume könnten auch dem Anspruch nach einer phasenweisen Realisierung in Bauabschnitten entsprechen. Lediglich im Bereich zur Wagenburgstraße wird einerseits unter Einbezug der Bestandsbäume, andererseits zur Verdichtung zu den großen Erschließungsräumen der Nachbarschaft und zur Stärkung des Entrees dieser Teilbereich beidseitig, jedoch mit sich unterscheidenden Baumarten ausgestattet. Diese Positionierungen können so ausbalanciert werden, dass die Petruskirche mit Gedenkstätte und Zugang zum Friedhof freigestellt, auch als Reverenz an die historische Mitte gestärkt wirksam wird und die „Sünden“ der 70- er Jahre über eine grüne Raumschicht in den Hintergrund gedrängt werden. Neben dieser historischen Mitte (über die Petruskirche hinaus, u.a.: ehemals Standort Gemeinde-und Rathaus 1870) ergänzen die Entreeräume in das Quartier an der Wagenburgstraße (neu der „Platz am Klingenbachtal“) und der „Schmalzmarkt“ als „Dreiklang“ gestärkt das öffentliche Raumgerüst. Der Lindenplatz wird als historische Spur respektiert, jedoch zurückhaltend über ein Baumdach, bestehend aus 4 Linden gekennzeichnet. Der „Platz am Klingenbachtal“ wirkt neben seiner Entreefunktion ins Quartier auch als Vermittler zum Klingenbachpark. Die bisherige Primärnutzung als „Parkplatz mit Wendehammer“ wird zurückgeschoben und reduziert. Eine neue Raumkante über grüne Bausteine und über einen weit in die Wagenburg-straße wirkenden Stadtbaustein (Fahrradhochregal) definieren diesen Bereich neu. Der Architekturbestand, auch mit dem Kopf des „Beer-Baus“ hat ausreichend Qualitäten, um den neu gewonnenen „Dreiecksraum“ zukünftig zu bespielen. Um den offensichtlichen Parkdruck auszugleichen wird im weiteren Verlauf der Gablenberger Hauptstraße die Ostseite räumlich und funktional neu strukturiert. Insbesonders der Schulstandort soll an dieser Stelle gestärkt werden, einerseits um das räumliche Defizit an dieser Stelle zu schließen (und den Platz am Klingenbachpark zu stärken) andererseits auch, damit ein entsprechend „junges Publikum“ die öffentlichen Räume mitbespielen kann. Unter dem leicht erhöhten nun innenliegenden Frei- und Sportbereich der Schule (kein Tiefgaragenbauwerk!), wird, über die Pflasteräckerstraße erschlossen, ein ausreichendes Parkierungsangebot ermöglicht.
Weitere Ersatzbauten in der Gablenberger Hauptstraße- wie z.B. das vertikale Glas-/Gewächshaus (Gärtnerei)- sind bitte den beiliegenden Planunterlagen zu entnehmen. Die immer wieder anzutreffenden leichten Rücksprünge oder Raumtaschen in der Gablenberger Hauptstraße werden als typologische Eigenart anerkannt, aufgenommen und mit unterschiedlichen Sitz-und Aufenthaltsangeboten wie Informationen zur Ortsgeschichte (verwaltet vom MUSE-O) bespielt. Die im Moment teilweise noch versteckten grünen Zimmer, in zweiter Reihe, auf der Westseite (Spielplatz hinter dem Aldi Markt, der Friedhof oder gar der öffentliche Grünraum Richtung Heidehof) können nun über deutlichere Zugänge oder Freistellungen gestärkt Teil des Raumnetzes werden. Auf der anderen Seite, Richtung Osten sind die offenen grünen Hänge ein ebenfalls fast vergessenes Potential. Die Blicke in diese grünen Hänge (hin und wieder bis zum Fernsehturm) wie die Zugänglichkeiten und Verknüpfungen mit der Gablenberger Hauptstraße sind zu stärken, so z.B. über den „Molt-Platz“ oder die kleine Platzfolge mit Baumdächern vom Lindenplatz weg, hoch auf den Höhenweg durchs Grün. Hinzukommt, dass diese Höhenwege einzigartige Panoramen auf Gablenberg und die 5.Fassaden zulassen. Diese „Altwege“ (fast ausschließlich Fußwege) auf die Höhen oder aus den Hängen hinunter ins Tal übernehmen auch für die engere Planungsaufgabe um den Schmalzmarkt eine nicht ganz unwesentliche Rolle, im Sinne einer optimierten Vernetzung des Ortes mit seiner (näheren) Umgebung. Neben der Einbeziehung dieser Fußwege vom oder zum Buchwald oder vom oder zum Heidehof (darüber hinaus zur Villa Bosch) spielt die Einbeziehung der Ränder und Raumkanten eine entscheidende Rolle: der „Platzteppich“ wird in fast alle Richtungen neu aufgespannt. Die Filetlage kann die nun einbezogen Ränder und die damit verbundenen Nutzungen (insbes. die Erdgeschoßbereiche) kräftig aktivieren. Dem „Alten Schulhaus“ als nun gestärkten Mitspieler im öffentlichen Raum ist hierbei verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen: das raum- und zugangsverstellende Wartehäuschen (1925, nach dem 2 Weltkrieg erweitert) wird entfernt und durch einen um 90 Grad gedrehten, den Nebengebäuden folgenden, mit neuem Wartebereich, Bewirtungsmöglichkeiten und Fahrradwerkstatt beherbergenden Neubau ersetzt. Für das freigestellte „Alte Schulhaus“ bzw. Ortsmuseum (MUSE-O, dem „historischen Gedächtnis“ Gablenbergs) besteht nun die Option, mit seinem kleinen sich öffnenden Taschenplatz und einem offenen Freilichtmuseum, integraler Bestandteil des Schmalzmarktes zu werden. Die Zugänge werden insgesamt offener zum Schmalzmarkt hin orientiert und es können verschiedene Objekte zur Ortsgeschichte im umlaufenden Hof neu präsentiert werden (wie z.B. der Taufstein aus der „alten Gablenberger Kirche“, eine „Oscar-Heiler- Stele“ aber auch die Brunnenstele (Volkshausbrunnen, 1935 -als Zeichen seiner Zeit- als Relikt des i.M. bestehenden Brunnens am Schmalzmarkt). Darüber hinaus wird mittel-bis langfristig auch eine neue Nachbarbebauung und damit kräftigere Platzkante vorgetragen. Funktional wie gestalterisch steckt ein weiteres bauliches Potential mit Sicherheit im zu niedrigen (auch nicht mehr ursprünglichen) Eckgebäude (eher-schuppen) in der Nord-Ost- Ecke des Platzes. Hier wird in Ergänzung zum Jugendclub „Karamba Basta“ ein Kinder-und Spielhaus vorgetragen, auch mit vorgelagerten Spielflächen.
Die Brandwand gestattet es, eine leichte, polygonale Textil-Schale aufzusetzen, die in der Lage ist, auch für den Außenbereich, im Erdgeschoss, zeitweise bühnen-gleich diesem, bisher „toten Eck“, eine ganz andere Bedeutung zu geben. Die minimierten Erschließungsflächen dominieren nun nicht mehr den öffentlichen Raum, sondern wirken als ein Mitspieler unter vielen auf dem neu aufgespannten „Platzteppich“ und werden damit ganz selbstverständlich Bestandteil der neuen „guten Stube“ Gablenbergs. Dementsprechend und dem u.a. Verkehrskonzept folgend, sind somit auch keine abtrennenden Mauern und Gräben mehr notwendig. Der bestehende, tieferliegende Wasserlauf wird aufgegeben und -nun dem tatsächlichen historischen Verlauf des Klingenbachs folgend- über frei eingestellte „Quellsteine“ (mit eingraviertem Verlauf des Klingenbaches) ersetzt. Das Thema Wasser spielt somit keine abtrennende, sondern eher eine drei-dimensionale und akustisch kräftigere Rolle; zusätzlich können diese Objekte, zeitlich begrenzt, ohne Wasserspiele, z.B. als Podeste für die bekannten „Skulpturen-Wettbewerbe“ des HGVs- Gablenberg o.a. genutzt werden. Neben der offenen Fläche vor dem Kinder-und Spielhaus sind diese eingestellten Wasserobjekte Teil des Spielkonzeptes für Kinder und Jugendliche. Um die Flächen in einigen Bereiche für die vielfältigsten Nutzungen (auch für die Marktstände) offen und frei zu halten, wird neben dem Bus-Stop keine weitere bauliche Einstellung vorgetragen. Vielmehr wird der Frequenzbringer „Bus“ und das dazugehörige Wartebauwerk dahingehend allseitig ausgeweitet, dass über eine kleinere Gastronomie („Zum Oscar“) mit Kiosk eine zusätzliche Außenbewirtung und damit Belebung angeboten werden kann. Ein unweit davon positionierter E-Mobilitätschwerpunkt für E-bikes und einige E-Mobilfahrzeuge mit Ladestationen tragen sicher zusätzlich dazu bei, dass die „gute Stube“ Gablenbergs zu fast jeder Zeit seine Besucher findet.
VERKEHRSKONZEPT
Auch als Teil des Vorbehaltsstraßennetzes ist auf die soziale Brauchbarkeit der Verkehrsachse zu achten. Neben der sich aus der Linienbuserschließung abzuleitenden Fahrbahnbreite von 6,5 Metern dient daher die verbleibende Breite dem Aufenthalt, der Kommunikation und der Begegnung, der Durchgrünung und dem ruhenden Verkehr. Mit Zielen entlang der Gablenberger Hauptstraße wird der Radverkehr auf dieser geführt – auf der Fahrbahn und unterstützt durch Sharrow-Piktogramme. Im Bereich der Geschäftszonen werden zusätzliche Radabstellplätze angeboten. Am Schmalzmarkt bietet eine Mobilitätsstation mit Cafe Angebote für Carsharing und Elektromobilität, einschließlich Ladestationen für E-Bikes und Elektroautos an. Alle Bushaltestellen sind barrierefrei mit Bushochborden ausgebildet. Die Neubebauung auf dem Schulhof bietet zusätzlich eine öffentliche beziehungsweise Anwohner-Parkgarage im rückwärtigen Erdgeschossbereich* des Gebäudes. (*zum öffentlichen Raum: stets „ummantelnde“ Schulfunktionen die mit dem Stadtraum in Dialog treten können….). Zudem werden zusammen mit Baumstandorten alternierende Parkmöglichkeiten (Kurzparken) entlang der Gablenberger Hauptstraße angeboten. In den besonders hervorgehoben gestalteten Abschnitten am Schmalzmarkt und an der Petruskirche sowie im Bereich der Grund- und Werkrealschule gilt eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h.
GRÜN -und MATERIALKONZEPT
Der Straßenraum entlang der Gablenberger Hauptstraße wird durch die unter-schiedliche Anordnung von Baumreihen rhythmisiert. Die ausgewählten, wohltuend blühenden Baumarten wie Wildbirne, Kirsche, Pflaume sind eine Reminiszenz an den ehemals vom Obst-und Weinanbau geprägten Ortsteil. Jeweils an den Eingängen formt Coryllus colurna mit seinem knorrigen Habitus ein markantes Portal. Auf dem Schmalzmarkt werden bei der Neugestaltung die vorhandenen Platanen als ausladende grüne Schirme integriert. Ebenfalls Platanen bilden gegenüber der Petruskirche mit kastenförmigem Zuschnitt die angemes-sene Platzkontur. Leicht gelb, bzw. sandfarben getönte Beläge vermitteln die Anmutung, dass „stets die Sonne im Stadtraum“, im Tal strahlt. Verbindende Gehwegbeläge (und Platzflächen) werden aus einem sandfarben changierenden Pflasterbelag (z.B. ungerichtetes „Passepflaster“) aus möglichst heimischem Granit, z.B. aus der Region Bayernwald vorgeschlagen. Sandgestrahlte Oberflächen eignen sich ideal als barrierefreier Wegebelag. Der Unterbau erfolgt aus Drainbeton auf einem Schotterbettaufbau. Alternativ kann auch ein ebenfalls changierender Betonpflasterbelag mit optischer Angleichung an Natursteinpflaster diskutiert werden. Treppenstufen, Rinnenplatte und seitliche Gehwegplatte werden mit max. 3,0 cm gerundeter, wasserführender Aufkantung ebenfalls aus vorgenanntem Naturstein vorgeschlagen. Die Aufstellflächen der Bushaltestelle werden zur besseren Lesbarkeit aus Natur-steinpflasterplatten, mit einem Unterbau aus einer Ortbetonplatte zur Aufnahme der hier spezifischen Lastannahmen hergestellt. Für den Fahrbahnbelag der Gablenberger Hauptstraße wird ein sandfarben eingefärbter Ortbetonbelag vorgetragen, die Oberfläche im Besenstrich, mit einer gleichmäßigen Segmentierung durch Dehnfugen.
LICHTKONZEPT
Bedingt durch die in Teilen bestehende räumliche Enge wird ein frei eingehängtes Abspannungssystem vorgetragen, das auch für Weihnachtsbeleuchtungen u.a. mitgenutzt werden kann. Primär sollte der Raum über das Licht spürbar gemacht werden. Eine gleichmäßige Grundausleuchtung ist über die o.a. Abspannungsthematik (Bereiche Hauptstraße und Plätze) in jedem Fall gegeben. Raumprägende Einzelbäume erfahren durch einzelne Baumstrahler eine zarte, fast skulpturale Ausleuchtung. Die Mikroarchitekturen (Bänke, Quellsteine und Wasserspiele, die Elemente des „Historischen Pfads“ oder auch die Warte-/Bewirtungsboxen) tragen zusätzlich durch Einbaustrahler o.a. zur Ausleuchtung bei. Besondere Architekturen, wie die Petruskirche, das „Alte Schulhaus“ oder die Einstellung am „Platz am Klingenbachtal“ (Ortseingang) werden durch Außenstrahler akzentuiert. Zu einem präzisen Zeitpunkt (z.B. 00.00 Uhr) wird es möglich sein, einzelne Beleuchtungselemente zurückzunehmen, lediglich die Baumstrahler und die Grundausleuchtung bleiben spürbar. Diese Lichtwechsel sind aber jederzeit wandelbar, verhelfen der "neuen“ Visitenkarte Gablenbergs zu jeder Zeit, bei Nacht und Tag und über alle Jahreszeiten hinweg, sich zu einem gestärkten identitätsstiftenden Ort zu wandeln.
Verfasser:
Scala Architekten und Stadtplaner
Jörg Esefeld, Prof. Nagler
Humboldtstraße 6
70178 Stuttgart